Digitale Kunst
Digitale Kunsttherapie
Die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung innerhalb der Kunstgeschichte ist so divers, dass hier lediglich einige konkrete Beispiele einen Eindruck davon geben, wie vielschichtig das Thema künstlerisch bearbeitet wird.
Die Performance-Künstlerin und Musikerin Laurie Anderson befasste sich bereits Mitte der 1980er Jahre mit der Programmiersprache von Computern und brachte diese neben anderen technischen Elementen wie Videoprojektionen oder Stimmenverzerrern in ihre Performances ein.
Das Künstlerduo Hörner und Antlfinger setzt sich in seinen Arbeiten mit dem Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Maschine auseinander und nutzt unterschiedlichste Elemente der digitalen Medien. So entstehen z.B. das Video ‚Le nouveau OMIZA‘ oder die Computeranimation ‚L’après-midi d’un avatar‘.
Auch der Einsatz von Apps und Touchscreen ist kunstgeschichtlich bereits heute interessant: seit der Eröffnung des Apple App Stores im Juli 2008 haben zahlreiche Künstler das Potential der neuen Apps für sich entdeckt und in ihr Schaffen integriert. Die Künstler David Hockney und Jorge Colombo gelten dabei als Pioniere (Leibowitz, 2013). Hockneys iPad-Werke füllen seit einigen Jahren ganze Ausstellungen, Colombos ‚finger iPad paintings‘ zieren die Titelblätter des New Yorker.
Der Gebrauch von digitalen Medien innerhalb der Kunsttherapie wird erstmalig in den 1980er Jahren von Weinberg (1985) und Canter (1987) beschrieben (van den Berg, 2012). Weinberg hatte damals herausgefunden, dass Patienten, die körperlich eingeschränkt sind, von Kunsttherapie mit Computern profitieren, da nur ein minimaler physischer Aufwand notwendig ist, um z.B. eine Maus zu bewegen (Parker-Bell, 1999).
Diese ersten Experimente mit neuen Medien wurden jedoch von einigen Kunsttherapeut*innen kritisch beäugt, da sie der Meinung waren, dass sich Kunsttherapie auf Malen, Zeichnen und das Modellieren mit Ton beschränken sollte. Bis heute gibt es Therapeut*innen, die die digitalen Medien nicht als künstlerisches Material anerkennen, da Klient*innen bereits technologisch überflutet seien, der Kunstprozess gestört werde und der traditionelle Kunstprozess einen sensorischen Beitrag biete, den die digitalen Medien nicht leisten können (Orr, 2012).
Viel sinnvoller erscheint die Einschätzung jener Therapeut*innen, die in den digitalen Medien ein künstlerisches Material mit eigenen Möglichkeiten und Grenzen sehen, welches den kunsttherapeutischen Handlungsspielraum erweitert, nicht aber die klassischen Materialien ersetzen soll (McNiff, 1999).
Kunsttherapeut*innen, die mit digitalen Medien arbeiten, benennen klare Vorteile:
Digitales Material nimmt kaum Platz weg und ermöglicht dennoch die Nutzung des kompletten Farb- und Materialspektrums- ohne aufwendige Vorbereitungen oder Aufräumaktionen. Alle Werke lassen sich auf kleinstem (digitalen) Raum verstauen, wodurch das Nachschlagen oder Präsentieren der Arbeiten leicht gelingt (McNiff, 1999).
Zudem können verschiedene Arbeitsschritte gespeichert werden. Das ursprüngliche Bild bleibt erhalten, während es in verschiedenen Programmen bearbeitet wird. So entsteht wichtiges Material, welches den therapeutischen Prozess sichtbar macht. (McNiff, 1999; Parker-Bell, 1999).
Auch Fehler sind weniger tragisch, da sie leicht rückgängig gemacht werden können. Leicht kann mit verschiedenen Versionen eines Bildes experimentiert werden. Die Patientin kann dann entscheiden, welches der Bilder am ehesten das wiedergibt, was sie ausdrücken will.
Es wird also ein freieres Arbeiten möglich, das regelrecht zum Experimentieren einlädt (McNiff, 1999; Parker-Bell, 1999). Nicht zuletzt stärkt es das Selbstvertrauen, wenn ein*e Patient*in ein Software-Programm neu erlernt und die Erfahrung macht, damit gut umgehen zu können.
McNiff beschreibt auch die Grenzen der digitalen Kunsttherapie: So fehlen der Geruchssinn und die Möglichkeit, physisch auf alle möglichen Materialen einzuwirken, weshalb laut ihm die digitale Kunsttherapie die dreidimensionale Präsenz von etwas, das tatsächlich gemacht wird, nie ersetzen wird.
Der Gebrauch von Tablets mit Touchscreen wird in der kunsttherapeutischen Fachliteratur bis dato kaum beschrieben. Im Internet tauchen allerdings immer mehr Beiträge auf, in welchen Tablets innerhalb der Kunsttherapie eine Rolle spielen.
Auf Cathy Malchiodi’s Website erfährt man, dass sie das digitale Arbeiten in der Kunsttherapie seit dem Erscheinen ihres Buches ‚Art Therapy and Computer Technology: A Virtual Studio of Possibilities‘ im Jahr 2000 stetig weiter entwickelt hat und inzwischen ebenfalls mit dem iPad arbeitet. Sie beschreibt das Arbeiten mit Tablet und Touchscreen als sehr gut geeignet für Menschen mit Autismus und gibt anhand eines kurzen Videos ein Beispiel aus der Praxis.
Janetta Robards hat im autoethnografischen Selbstversuch erkundet, ob das iPad ein passendes Medium für die Kunsttherapie sein könnte und nennt das iPad ihren neuen künstlerischen Begleiter, den sie zum kreativen Ausdruck nutzen kann.
Michele Wood, Kunsttherapeutin und Dozentin aus Großbritannien, begab sich im Herbst 2015 auf Studienreise in die USA, um mehr über die Möglichkeiten der digitalen Kunsttherapie innerhalb der Palliativversorgung zu erfahren und Material für mögliche Forschung zu sammeln. Auch in ihrem veröffentlichten Erfahrungsbericht spielen iPads innerhalb der Kunsttherapie im Hospiz eine Rolle.